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Wohnhaus Gravius, Kirn


Gartenseite nach Fertigstellung der Renovierung


"Haus Gravius" in Kirn
Das sog. Haus Gravius bekam seinen Namen von den jetzigen Eigentümern in Erinnerung an die letzte Bewohnerin, die hochbetagte Frau Gravius. Sie verkaufte das Gebäude an die Stadt Kirn, nachdem sie ins Altenheim der Dominikanerinnen wechselte. Das Gebäude war über viele Jahrzehnte von ihr alleine bewohnt, ohne dass es einer Renovierung unterzogen worden wäre. Der Äußere wie Innere Zustand war entsprechend.

Ohne eine genaue Voruntersuchung der Bausubstanz wurde das Gebäude durch drei neue Eigentümer übernommen und saniert. Die zeichnerische Bestandsaufnahme und die notwendige Planung zur Genehmigung eines Umbaues mit entsprechender Umnutzung wurde sodann vorgenommen. Begleitend hierzu musste zunächst ein angebautes Hausteil entfernt werden, um dem Gebäude seine ursprüngliche Form und Größe zurückzugeben.
Die Einbauten und Veränderungen der beiden letzten Jahrhunderte wurden wieder entfernt, d.h. alle zugemauerten Fenster wieder freigelegt, alle verschalten Holzfußböden von Spanplatten befreit, abgehängte Decken ausgebaut. Erst jetzt waren die ersten umfangreichen Bauschäden an Decken und Dachstuhl zu erkennen, aber es sollte noch schlimmer kommen. Im Dachstuhl fehlten viele notwendigen Eichehölzer an der Dach-konstruktion. Unterzugbalken waren durchgebrochen, Deckenbalken und Fachwerkwände teilweise durch Regenwassereintritt sehr stark verfault. Kein Anschluss der Regenwasser-fallrohre und Entwässerungsleitungen an das Kanalsystem vorhanden.

Nach Abriss des Nebengebäudes Gerüststellung und Reparatur des Dachfußes, hier war im Übergangsbereich der beiden Gebäude durch Wassereintritt alles verfault. Die zwölf Dachgauben auf der Mansarde wurden saniert, einige ganz in Eicheholz nach originalem Vorbild erneuert. Die gesamte Dachfläche des Mansardendaches wurde mit Naturschiefer neu eingedeckt, die Kamine erneuert und wie in "alter Zeit" verputzt.

Das gesamte Haus bekam neue Eichenholzfenster mit Sprossen, Original den noch vorhandenen Sprossenfenstern nachgebaut, ebenso die Klappläden. Das Sandsteinportal an der Nordfassade war nicht mehr vorhanden. Es wurde rekonstruiert nach Fugen- und Profilresten an den unter Putz freigelegten Sandsteinquadern, diese mit dem zeitgleichen Portal am Gebäude auf der Kyrburg verglichen und vollständig erneuert.

Alle Außenwände wurden neu verputzt und mit Mineralfarbe gestrichen, nach Befund durch den Restaurator.
Die Außenanlagen mit Hof und Terrassenflächen entstanden neu, alte Sandsteinquader begrenzen die Terrasse und die Grundstücksgrenze.



Innen entstanden durch die Renovierung im Dachgeschoss eine 5-Zimmerwohnung mit Küche, Bad und getrennter Dusche, 120 Quadratmeter. Im Obergeschoss eine großzügige Büroetage mit, ebenfalls 5 Büroräume und die notwendigen Sozialräume, Größe 133 Quadratmeter. Das Erdgeschoss wurde für Gastronomienutzung umgebaut und hergerichtet, kann aber auch als Büroetage genutzt werden, ebenfalls 133 Quadratmeter.

Auch die Innenräume wurden mit Mineralfarben gestrichen, nicht nach Befund, jedoch im Stil der Erbauungszeit. In der ersten Etage, den Räumen des Fürsten, sind in zwei Räumen noch die historischen Ofennischen der Bauzeit 1780 vorhanden, Befeuerung war vom angrenzenden Flur möglich. Hier sind auch noch die alten Füllungstüren mit den handgeschmiedeten Griffen, Schlosskasten und Beschlägen vorhanden. Die Böden sind aus Eichen- und Nadelholzdielen. An der Decke des größten Raumes Stuckleisten und Stuckornamente.


"
Haus Gravuis", hier in der Bildmitte, als ehem. Haus des Fürsten
innerhalb der barocken Schlossanlage von 1780
Eine Perspektivzeichnung von Friedrich Otto, Kirn,1925


Historischer Rückblick auf die Entstehung des Gebäudes:
Aus: Kunstdenkmäler des Kreise Kreuznach, Walter Zimmermann 1935

Ehemals fürstliches Lustschloß Amalien-Lust.
Das fürstliche Lustschloß wurde um die Jahre 1780-1790 durch den Fürsten Friedrich III. erbaut. In den Rechnungen erscheint damals ein Bauinspektor, auch Baudirektor Geis, von dem vielleicht der Entwurf der Anlage herrührt (Koblenz, Abt. 36, Tit. V, Nr. 10). Sodann wird noch Bauinspektor Hess (später in Frankfurt) erwähnt. Als Maler erscheint Trübenbach, als Stuckateure Krieger und Provini, als Gärtner Lerar (Renneberg Nr. 258).

Der Plan dazu aus dem Jahre 1794 von J.W. Becker ist erhalten geblieben. Da die Bauten heute aus ihrem Zusammenhang gerissen sind, gibt nur der Plan eine wirkliche Vorstellung der großzügigen Anlage.

Um einen ovalen Platz gruppierten sich die Hauptbauten des Theaters und zweier durch Kolonnaden verbundener Eckpavillons. Durch die Mitte des Platzes floß in Längsrichtung der Mühlengraben. In gleicher Richtung führte eine Hauptstraße. An den Pavillons vorbei gingen strahlenförmig zwei Wege zur Nahe hin, mitten durch die Parkanlagen. Durch einen Überbau von den Pavillons zu den Nachbargebäuden blieb der Platzabschluß gewahrt. Der Theaterbau lag in der durch eine breite Straße bezeichneten Hauptachse. In gleicher Richtung sollte ein Gartenschlösschen am Naheufer sich erheben, begleitet von je drei kreisförmigen Bauten. Ein Garten in strengem Stil wurde durch die strahlenförmigen Wege begrenzt; darüber hinaus war ein Park in englischem Stil angelegt.

Leider sind nur das Theater und die Pavillons erhalten geblieben. Die schöne Anlage würde das Stadtbild vortrefflich bereichert haben. Der Platz ist heute verbaut. Die Pavillons sind einfache zweigeschossige Häuser von fünf zu fünf Achsen mit Mansarddach (Teichweg 11 und 7), das ehemalige Theater mit klassizistischer Tür (Teichweg 12).
[Walter Zimmermann 1935]

Fürst Friedrich III. von Salm-Kyrburg lebte überwiegend in seinem Anwesen in Paris. Er war der Neffe des Fürsten Johann XI. Dominik, dem Erbauer des ehem. Piaristenklosters in Kirn, heute Stadtverwaltung. Letzterer in Gruftbestattung im Chorraum der evangelischen Kirche Kirn neben seinem Bruder, Fürst Philipp Joseph und der Gemahlin des Fürsten Friedrich III, geborene Prinzessin Johanna Franzisca Antonia von Hohenzollern-Sigmaringen.

Fürst Friedrich III. hingegen wurde 1793 in Paris auf dem Schafott hingerichtet. In Kirn hatte er zuvor die Leibeigenschaft abgeschafft und lebte noch einige Jahre mit seiner Schwester Amalie und seinem kleinen Sohn in Paris. Die Wirren der französischen Revolution kosteten ihn sein Leben. Nach der Hinrichtung wurde er mit vielen anderen vor der Stadt Paris in einem Massengrab bestattet So gibt es in Kirn keine Grabstätte für ihn.