Sakrale Projekte | Katholisch
Kath. Kirche Liebfrauen, Oberwesel am Rhein



Beschreibung der kath. Kirche "Liebfrauen" in Oberwesel am Rhein
Auszug aus dem "Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler" (Rheinland-Pfalz, Saarland) von Georg Dehio, Deutscher Kunstverlag, ISBN 3422003339 sowie aus Oberwesel, Rheinische Kunststätten, von Werner Bornheim gen. Schilling.

Oberwesel, Rhein-Hunsrück-Kreis
Bis zum 17.Jh. nur Wesel genannt. – Vielleicht schon z. Zt. des Drusus ein Vicus. Im 3.Jh. römische Herbergstation Volsovia an der rheinischen Heerstraße. Um 800 Mittelpunkt eines umfänglichen königlichen Fiskus. Kaiser Otto III. schenkt 966 einen Wirtschaftshof Wesel der Moritzkirche, dem späteren Erzstift Magdeburg; dieser Besitz fiel 1166 an Kaiser zurück. Mit dem Fiskalbereich deckte sich der Pfarrsprengel, wobei das Engelhöller Tal die Grenze zwischen beiden Pfarreien (St.Martin und Liebfrauen) bildete, die bis Laudert und Breitscheid im Hunsrück reichten.
1216 als Stadt bezeichnet; wahrscheinlich zwischen 1213 und 1216 eine Ringmauer errichtet, die 1257 bei der Bestätigung der Reichsunmittelbarkeit genannt wird. 1309 bestellt König Heinrich VII. seinen Bruder, Erzbischof Balduin von Trier, zum Reichsvogt; seit 1312 trierische Landstadt, woran auch der "Weseler Krieg" 1390/91 nichts änderte, in dem zum erstenmal im Rheinland Feuergeschütze verwendet werden.
Beschädigungen im Dreißigjährigen Krieg und vor allem durch die Franzosen 1689, als beide Rathäuser, zahlreiche Adelshöfe, einhundertfünfzehn Fachwerkhäuser und das Schiff der Hospitalkirche zerstört werden. 1828-30 rücksichtslos gradlinig durchgeführte neue Hauptstraße vernichtet viel vom alten Reiz der Stadt; 1850 brennt das barocke Rathaus mit den angrenzenden Fachwerkhäusern ab. 1857 Bau der Eisenbahn, unter der die Rheinfront nicht nur optisch leidet. - Trotz aller Verluste mit seiner Lage am Berghang, den beiden Stiftskirchen, der Schönburg und der wohl erhaltenen Stadtbefestigung eines der eindrucksvollsten historischen Ortsbilder am Mittelrhein.

Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau, ehem. Stiftskirche
Von dem Vorgängerbau aus dem 12.Jh. (1213 erwähnt, 1258 zum Stift erhoben) nichts bekannt; zwei Achtecksäulen an den Treppenaufgängen des Lettners stammen wahrscheinlich davon. – Die jetzige Kirche ein verputzter, rot gestrichener Bruchsteinbau, 1308 begonnen (Inschrift eines verlorenen Glasgemäldes), Altar- und Chorweihe 1331 (Urkunde). – Vollendung des Westturmes nach 1351 (dendrochronologische Datierung eines Zugankers im obersten quadratischen Turmgeschoss).
In seiner stereometrisch klaren Form bei bewusstem Verzicht auf jede Schmuckform einer der bedeutendsten Kirchenbauten hochgotischer Zeit in Deutschland, "ein Gliederbau in sachlich klarer, statisch richtig gedachter Vereinfachung" (Dehio). – Dreischiffige, querhauslose Basilika mit hochaufragendem Mittelschiff und eingebautem Westturm, Seitenschiffe außen flach geschlossen, innen mit nicht ganz regelmäßigem 5/8-Schluss; Strebepfeiler wahrscheinlich in der Nachfolge der Bettelordensarchitektur konsequent nach innen gezogen (bis auf die der westlichen Turmecken), so dass aus dem streng geschlossenen, völlig geradlinigen Baukörper (Sakristei nicht zum ursprünglichen Plan gehörig) in der Horizontalen nur die über 5/8-Grundriss errichtete Hauptapsis und in der Senkrechten der Turm herausragen. Bewusste Fassadengestaltung der vier Hauptseiten: Steil aufragendes Chorhaupt (wegen des abfallenden Geländes über hohem Sockel) mit umlaufendem Kaffgesims, darüber die fünf schlanken, 18,50m hohen Fenster mit dreiteiligem Maßwerk, in halber Höhe mit Dreipasssteg. Am Obergaden setzt sich die Fensterreihe in regelmäßiger Abfolge bis in die heute vermauerten Fenster des Turmes fort (vgl. oberrheinische Bauten, besonders St. Florentius zu Niederhaslach/ Elsass). Starke Betonung der Horizontalen durch die Dächer und die aus langgestreckten Rechtecken gebildeten Flächen des Obergadens und der Seitenschiffe, die Mitte des südlichen durch ein vortretendes Portal mit barockem Giebel betont. Über den vier Außenecken der Seitenschiffe je ein vorkragendes Achtecktürmchen mit barocker Haube. Der 72 m hohe Turm entwickelt sich ohne eigenen Unterbau aus dem Mittelschiff (vgl. u. a. Niederhalsach); die beiden ersten freiliegenden, quadratischen Geschosse reichen bis zur Firsthöhe des Mittelschiffdaches, darüber ein achtseitiges Türmchen; im Grunde das System von Freiburg, aber bei gänzlichem Verzicht auf Maßwerkschmuck durch strenge Probportionierung der glatten Wandflächen zum Großartig-Herben gesteigert.
Von den ehemaligen Stiftsgebäuden erhalten die Außenmauern des Konventsaals an der Westseite der Kirche und sieben Achsen des an die Nordseite anstoßenden spätgotischen, größtenteils netzgewölbten Kreuzgangflügels mit einer Anzahl von Grabsteinen des 14. bis 17 Jh., die zwar abgetreten oder verwittert, für die Geschichte dieser Gattung am Mittelrhein aber dennoch beachtenswert sind.

aus Oberwesel, Rheinische Kunststätten, von Werner Bornheim gen. Schilling:

Weiße Fugen gliederten von Anfang an die rote Farbhaut. Der zurückhaltende bildhauerische Schmuck lässt nur um so reiner die klaren Grunddispositionen des Bauwerkes erkennen.

Im Inneren wirkt der Chor überraschend bewusst vom Langhaus abgesetzt, während er sich am Außenbau nahtlos mit dem Mittelschiff verbindet. Der Chor, den Sitz der Stiftsherren, trennt der Lettner vom Langhaus. Er ist mit der Kirche gleichzeitig entstanden. In der Breite ist er siebenfach –der Sinn für die ungerade Zahl ist typisch für die Epoche- aufgeteilt. Zierliche, das Steinmaterial bis auf des Letzte ausnutzende und wiederum achteckige Säulen tragen das laubenartige Gebilde. Seine Bezeichnung kommt von "Lectorum", denn auf dem Lettner wurden vor dem Aufkommen der Kanzeln die Evangelien gelesen, und so führten denn auch Treppenaufgänge auf ihn hinauf.
Triumphierend wächst ein Kreuz von der Lettnerbrüstung dem Gewölbe entgegen, dadurch auch die uralte Zäsur im Kirchenraum, die der Kreuzaltar zwischen Chor und Langhaus bedeutete, markierend. Heute noch birgt der Chor einen der frühesten und kostbarsten deutschen Schnitzaltäre als Hochaltar. Wohl gegen 1330 bis 1340 entstanden, bezeugt der Altar die nuancierende Mannigfaltigkeit seiner Entstehungszeit. Aus der Schreinsaltarwerkstatt stammen neben den Türflügel des Lettners auch das Chorgestühl.
An den Mittelschiffpfeilern hervorragende Wandmalereien der Spätgotik, um 1500 –1520, sowie eine reichhaltige Ausstattung an gotischen Figuren.
Bemerkenswert die Barock-Orgel, von Franz Joseph Eberhardt aus Schlesien 1740 1745 gebaut, 1980 von Joh. Klais, Bonn, restauriert. Die Orgel hat 54 Register und 3565 Pfeifen.

Michaelskapelle im Westen der Liebfrauenkirche, einschiffig, einjochig mit 5/8-Apsis; Kreuzrippen auf Konsolen, Schlusssteine mit Blattwerk, Mitte des 14.Jh.








Beschreibung der Baumaßnahmen für das Jahr 2002-2004:

1. Das südliche Seitenschiff (rheinaufwärts) hatte die größten Schäden innenseitig an der Dachkonstruktion und musste folgendermaßen saniert werden:

Schrittweißes abreißen der Schiefereindeckung und Entsorgung des Bauschuttes

Schrittweißes abreißen der Dachschalung

Sanierung des verfaulten Holzes an Sparren, Streben, Deckenbalken und Mauerlatten. Die Holzkonstruktion hatte teilweise erhebliche Schäden durch Wassereintritt. Sparren und Pfetten waren gänzlich weggefault, Balken im Bereich der Mauerkrone ebenfalls, teilweise auch mit Schwammbefall. Eine Dachgaube musste komplett erneuert werden.

Nach der zimmermannsgerechten Instandsetzung des Gebälkes wurde die gesamte Konstruktion gegen Schädlingsbefall vorbeugend imprägniert.

Die Dachfläche von ca. 500m_ wurde mit einer gefälzten Rauhschalung 28-30mm neu zugeschalt und anschließend mit einer Schweißbahn abgeklebt. Auf diese Vordeckung wurden im Bereich der Sparren Rahmenhölzer aufgeschraubt, ebenfalls mit Schweißbahn überklebt. Hierauf wird noch zu einem späteren Zeitpunkt eine zweite Schalung und der Naturschiefer aufgebracht, so dass dann ein wasserdichtes Unterdach entsteht.

Reinigungsarbeiten, insbesondere Taubenkot, im Gewölbe des Seitenschiffes und den Treppentürmchen sowie Taubenabwehr durch entsprechende Drahtgitter wurden ausgeführt.

Für die Renovierungsmaßnahmen war die Einrüstung der Trauf- und Giebelseiten des Seitenschiffes erforderlich, ebenso eine Teileinrüstung des oberen Hauptschiffes auf der Dachfläche des südlichen Seitenschiffes.

2. Das Hauptschiff hatte nur vereinzelt Schäden an der Holzkonstruktion und der Dacheindeckung:
Der größte Schaden war an der 4.Gaube des Langhauses vom Turm aus gesehen. Hier war die gesamte Kehleindeckung zerstört. Darunter entstanden im Laufe der Zeit enorme Schäden an der Holzkonstruktion. Ein Wasserkranz zeigte außen auf der Wandfläche die Schadstelle über dem Obergadenfenster. Die Holzkonstruktion musste in diesem Bereich erneuert werden. Gänzlich verfault war auch der Randsparren und die Hölzer unter der Kehle am Turm. Auch hier wurde das Holz und der Schiefer erneuert.

Von dem Ausgang der Steinspindeltreppe zwischen dem 3. und 4 Fenster auf der Südseite des Obergadens wurde eine Holztreppe, die über das Gewölbe zum Laufsteg des Hauptschiffes führt, neu hergestellt. Somit ist nun ein gefahrloses überqueren des Gewölbes möglich. Ein zweiter Laufsteg wurde auf dem Kehlgebälk des Hauptschiffdaches eingebaut.

Auf der Nordseite waren mehrere Fußpunkte des Hauptdachstuhles verfault und mussten zimmermannsgerecht saniert werden.

Die gesamte Dachfläche wurde im Anschluss an die Zimmermannsarbeiten außenseitig überprüft und fehlende Schiefersteine wieder ersetzt. Diese Arbeiten wurden von einem Fahrstuhl mit einem Autokran ausgeführt.

3. Das nördliche Seitenschiff hatte große Schäden an der Schieferdeckung im Bereich des angrenzenden Turmes.
Die Eindeckung in diesem Bereich wurde bereits vorsorglich in der letzten Augustwoche 2001 entfernt und mit einer Vordeckung und Schweißbahn gegen eindringende Feuchtigkeit gesichert. Das verfaulte Holzwerk wurde bisher noch nicht ersetzt. Hier sind ebenfalls wie am südlichen Seitenschiff mehrere Deckenbalken am Sparrenfuß einschließlich der Mauerlatte weggefault.

Wegen der ständigen Schäden an der Dacheindeckung durch herabfallende Eiszapfen von den Turm-Wasserspeiern muss über beiden Seitenschiffen ein wasserdichtes Unterdach hergestellt werden.

4. Der 72 m hohe Turm wurde mit einem Autokran und einer angehängten Gondel auf Steinschäden an den Gesimsen und den histor. Sandstein-Wasserspeiern untersucht und dokumentiert. Die Renovierungsarbeiten am Turm erfolgen zu einem spätern Zeitpunkt.